Wir Gartenliebhaber müssen in der nördlichen Hemisphäre viel Grau ertragen. Spätestens im November geht es los mit dem Gärtnerfrust. Im Dezember sind wir glücklicherweise von der Weihnachtshektik abgelenkt. Der Garten erfreut uns ab und an sogar mit weißer Schneehaube, die liebevoll auch die chaotischste Gartenecke zudeckt. Doch ab Mitte Januar wird uns erschreckend klar, dass wir noch ganze vier Monate bis zum letzten Frost warten müssen. Pure Folter!
Dann schaut jedoch im Februar die Sonne durch die Wolken, reißt uns aus der Winterdepression und drückt unseren eingebauten Garten-Buzzer: Mööp! Frühling! Sofort loslegen! Allüberall in den Gartenblogs sprießen die Sehnsuchtspostings. Und es steckt nicht umsonst das Wort SUCHT in diesem Begriff. Wo sich früher noch Saatgutkataloge stapelten, wird heute einfach das Internet leergekauft, um die interessantesten samenfesten Gemüsesorten und Saatgut von floralen Neuzüchtungen zu erwerben.
Das Ritual wiederholt sich alljährlich: Am Ende der Aussaatperiode sind noch so viele Samentütchen übrig, dass wir den heiligen Schwur leisten, im nächsten Jahr ganz sicher keine neuen Blumen- und Gemüsesamen dazuzukaufen. Vor Beginn der neuen Aussaatzeit kann sich allerdings niemand mehr an diesen Eid erinnern.
Und was spricht dagegen, einfach schon ein paar Tomaten-, Kürbis- und Trichterwindensamen aus dem Vorjahresvorrat in die Aussaatschalen zu säen? Jaaa, natürlich, es ist viel zu früh, aber das Kribbeln in den grünen Daumen wird übermächtig und es gibt ja schließlich keine Aussaat-Polizei. Die Sehnsucht, endlich frisches Grün sprießen zu sehen, lässt uns Gartenfreaks alle Bedenken über Bord werfen. Und hatten wir nicht im letzten Jahr viel zu lange mit der Aussaat gewartet? Das wollen wir doch nicht noch einmal riskieren!
Groß ist die Freude, wenn schon nach wenigen Tagen die ersten Keimlinge im Zimmer-Gewächshaus auf dem Fensterbrett zu sehen sind. Und wie schnell sie wachsen! Geradezu mit Turboantrieb, toll! Nach einigen Tagen sind sie dann schon SEHR groß. Und so blass …
Spätestens dann fällt uns der im Biologieunterricht so herzhaft belachte Begriff der Vergeilung wieder ein. Die trübe Februarsonne hat einfach nicht genügend Kraft um den zarten Pflänzchen hinter der Fensterscheibe die Lichtmenge zu geben, die sie brauchen, um einen gedrungenen, kräftigen Wuchs zu entwickeln. So strecken sie sich hastig dem funzligen Licht entgegen und werden dabei gespenstisch bleich und dürr. Halten wir ein Ohr an die blassen Keimblätter, können wir hören, wie spillerigen Gestalten „Licht! Licht!“ rufen, genau wie ein Wanderer in der Wüste nach Wasser japst. Im weiteren Verlauf ihres oft kurzen Lebens kränkeln sie vor sich hin, während die später gesäten Kollegen den Wettbewerb um das saftigste Grün ganz locker gewinnen.
Aber wir Gartenliebhaber sind ja lernfähig: Im nächsten Jahr säen wir wieder später aus. Und kaufen kein neues Saatgut, wenn das alte nicht verbraucht ist. Ehrenwort!
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Petra A. Bauer ist nicht nur Krimi- und Kinderbuchautorin, Bloggerin und Kolumnistin, sondern auch seit ihrer Kindheit ein Fan von allem was grünt und blüht.
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[…] und Tricks, besonders was das Düngen angeht. Am Ende hoffe ich natürlich, dass es nicht heißt „Beeilung bringt Vergeilung“ wie in der Kolumne von Blogautorin Petra […]