Wenn ich im Zeitungskiosk durch die Massen der so genannten „Special Interest Magazine“ blättere (in diesem Fall vor allem Gartenzeitschriften), dann reicht oft ein einziges Foto aus, um mich zum Kauf des Magazins zu bewegen. Wenn mich ein Bild richtig flasht, dann muss ich es haben. Und das, obwohl ich meine Schwäche kenne.
Ich sitze dann zu Hause, bei einer Tasse Kaffee in die Betrachtung dieses Fotos versunken, und irgendwann kommt dann der unvermeidliche Seufzer, den nicht nur ich öfter mal ausstoße:
„Weshalb sieht es in meinem Garten nicht auch so toll aus?“
Dabei kenne ich auch die Regeln der Fotografie – vor allem den Trick des Weglassens. Oder glaubt ihr allen Ernstes, ich würde beim Fotografieren meines Gartens die Rümpelecken mit aufs Bild lassen?
Und trotzdem ist da stets diese Sehnsucht, diese unüberbrückbare Kluft zwischen Anspruch und (scheinbarer) Wirklichkeit.
Nehmen wir dieses Foto:
Wunderschön, nicht wahr? Das ist aus meinem Garten, ganz aktuell im Mai 2015, und ich liebe diesen Anblick. Es war harte Arbeit, das alles so hinzubekommen.
Nicht.
Die Wahrheit
Es ist das Ergebnis heftiger Vernachlässigung.
Aus etlichen Gründen komme ich derzeit nicht nur im Garten zu nichts, aber da besonders. Schwupp, war es Mai, und seither mäandert ein Meer aus entzückend gelbem Löwenzahn (inzwischen in Pusteblumen verwandelt) in Kontrast zu tiefblauem Vergissmeinnicht durch den Garten. Der Schönheitsfehler: Das meiste davon wächst auf meinem Gartenweg:
Der Rest wuchert in dem Steinkreis, in dem einst der Pool stand, bevor ein Besuchskind mit einem Stock die Folie zerstörte. Seither schwankte ich zwischen: neuen Pool aufstellen, Kräutersprirale bauen, Sandkasten fürs überraschend demnächst schlüpfende Enkelkind anlegen.
Stattdessen hat mir die Natur eine Blumen- und Kräuterwiese geschenkt, um die ich jeden beneiden würde, sähe ich das obere Foto in einer Gartenzeitschrift.
Alles eine Sache der Perspektive
Ich habe mich für dieses Bild allerdings auch tief in das ehemalige Poolrund gehockt und quer durch den Garten hinüber zum Vergissmeinnicht-Weg fotografiert. Wenn ich auf meiner Terrasse stehe und den Garten aus normaler Perspektive betrachte, sieht es einfach nur aus wie ein Garten, der schon länger seine Bauerngartenfee vermissst.
Es lebe der fotografische Blickwinkel!
© Petra A. Bauer, Mai 2015