Ende November. Liege auf dem Sofa und probe den Winterschlaf. Schon toll, wie Igel und Bären das machen. Futtern sich den Bauch rund, kuscheln sich in die Höhle und dann kann ihnen das Leben ein paar Monate lang gepflegt den Buckel runterrutschen.
Träge schaue ich an mir herunter. Das mit dem Bauch habe ich schon erledigt. Jetzt noch einrollen und dann – Hey, wer macht da Licht an? Ich blinzle. Vom Sofa aus sehe ich durch das Fenster den Nachbarn auf der Leiter herumturnen. Die alljährliche Zeremonie: Lichterketten an der Tanne vor dem Haus anbringen. Die Tanne, die so steht, dass sie in einigen Jahren das ganze Haus in tiefe Dunkelheit hüllen wird. Jetzt allerdings erhellt sie alles mit Lichterglanz und stört meinen Winterschlafbeginn. Dabei kann sie ja nichts dafür, dass der Nachbar sie Jahr für Jahr mit diesem Zeug behängt, ohne überhaupt zu fragen. Vielleicht mag sie das ja gar nicht? Vielleicht hätte sie den Kerl längst mal von der Leiter geschubst, wenn sie sich rühren könnte?
Überhaupt: hat sich jemals jemand Gedanken darüber gemacht, wie all die Weihnachtsbäume es finden, wenn Menschen Christbaumschmuck an ihnen aufhängen? Oder mein Drachenbaum, dem ich im letzten Jahr eine IKEA-LED-Lichterkette umhängte, ohne Rücksicht auf seine Gefühle. Vermutlich war es ihm unendlich peinlich vor dem Ficus, dem Philodendron und dem Kaktus. Obwohl – der Kaktus stand unter einem Leuchtkerzendreieck und wurde somit zum Weihnachtskaktus gekürt. Auch er hat vermutlich unter heftigem Spott gelitten.
Der Winterschlaf ist erst einmal vergessen. Vor meinem geistigen Auge entstehen Wohnzimmer weihnachtsseliger Familien. Und überall machen sich die Bäume so ihre Gedanken:
„Och nööööö, jetzt kommt der wieder mit Lametta! Das geht doch nie wieder raus! Außerdem ist das seit Jahren völlig out. Da stehe ich ja wieder ganz toll da beim diesjährigen Weihnachtsbaumtreffen auf der Müllkippe.“
„Da kommt wieder dieses KIND. Vermutlich reißt er mir die Zweige ab, wenn er versucht, die Kugeln aufzuhängen. Mit bleibt auch nichts erspart.“
„Hihi, nicht! Nicht kitzeln! Nicht an der Spitze! Da bin ich empfindlich! Ich schmeiß gleich die Nadeln ab!“
„ROSA? Nein, ihr hängt mir kein rosafarbenes Zeug in die Zweige!“ Beim Versuch, sich wegzuducken, fällt der Baum aus dem Ständer. „Vatta! Haste den Baum wieder nicht richtig festgemacht? Das ist doch in jedem Jahr dasselbe!“, meckert die Dame des Hauses. Der Baum wünscht sich, er hätte das rosafarbene Dekozeug einfach ertragen, denn die weihnachtlichen Streitereien findet er noch schlimmer. Aber da ergeht es ihm besser als seinem Kumpel nebenan. Ich sage nur: echte Kerzen. Wohnungsbrand. Da geht er hin, der arme Baum.
Ich ziehe die Vorhänge zu, schwöre meinem Drachenbaum, dass er in diesem Jahr keine Lichterkette ertragen muss, lasse den Weihnachtsbaum im Wald und beginne den Winterschlaf.
Jemand hängt mir goldene Christbaumkugeln an die Ohren.
© Petra A. Bauer, November 2013
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Petra A. Bauer ist nicht nur Krimi- und Kinderbuchautorin, Bloggerin und Kolumnistin, sondern auch seit ihrer Kindheit ein Fan von allem was grünt und blüht.
2 Kommentare
das mit dem Winterschlaf ist ja eine schöne Option…aber würde das klappen, dann bekäme man auch all die lustigen Geschehnisse zum Fest der Liebe nicht mit…und man könnte keine so nette Geschichte wie diese schreiben.
Sehr unterhaltsam!
In diesem Sinne ein Frohes Fest an das Romberg-Team
Petra
😀 Ich wusste es! Jeder schmückt irgendeine nicht – weihnachtliche Pflanze. Bei mir war’s die Aloe…