Hallo, liebe Gartenfreunde,
ich habe an dieser Stelle schon öfter mal von unserem Hausbaum berichtet. Ein Acer negundo, beheimatet in Amerika, hierzulande besser bekannt als Eschenahorn.
Er war der einzige seiner Art hier in der Straße und auch in der umliegenden Siedlung habe ich keinen weiteren entdecken können. Das wäre insbesondere im Frühling aufgefallen, weil er sehr lustige und auffällige „Blüten“ hatte: Kleine Bündel roter „Strippen“, an deren Ende schwarze Samen hingen. Der Baum war ein Männchen, wenn ich richtig recherchiert habe.
Ich hatte zu diesen Strippen eine Hassliebe entwickelt. Zum einen mochte ich sie, weil sie so besonders waren. Auf der anderen Seite sauten sie mir nicht nur die ganze Auffahrt voll, sondern verhakelten sich auch mit Vorliebe in unseren Scheibenwischern und waren nur sehr schwierig wieder von dort zu entfernen.
Aber, wenn diese Phase vorbei war und die schmalen Blätter zu sprießen begannen, spendete er wunderbar Schatten für unser Hausdach. Andernfalls hätten sich die darunter liegenden Zimmer im Sommer noch mehr aufgeheizt, als sie es ohnehin schon tun. Vor allem in Sommern wie dem im Jahr 2018. Auch als Sichtschutz fürs obere Badezimmer war der Baum praktisch. Da musste ich nicht jedes Mal die Jalousie herunterlassen, wenn ich aufs Klo ging, damit der Nachbar mir nicht dabei zusah (und nein – diese komischen Milchglasfolien sind keine Option – ich mag die Aussicht auf die anderen Gärten).
Der aufmerksame Leser wird bemerkt haben, dass ich die ganze Zeit schon in der Vergangenheitsform schreibe. Denn mein Freund, der Baum, ist – nein, nicht tot. Aber ab. Jedenfalls zur Hälfte.
Wenn ich den Blick noch einmal aufs Foto oben lenken dürfte: Man kann erkennen, dass der Baum auf der linken Seite abgestorben ist. Dort sind keine Blätter mehr zu sehen und überdies hat irgendein Tier über Monate riesige Fladen der Rinde auf unsere Grundstücksauffahrt geworfen. Warum ein Baum einseitig abstirbt, nun, wir haben da so unsere Theorie, die uns von Baumspezialisten auch praktisch bestätigt wurde. Nur so viel: WIR sind nicht daran schuld.
Wir wären allerdings schuld gewesen, wenn die abgestorbene Baumhälfte beim nächsten Sturm auf ein Auto gefallen wäre oder gar Passanten erschlagen hätte. Also haben wir uns schweren Herzens im Sommer eine Fällgenehmigung erteilen lassen. Bemerkung des Gutachters: „Da haben Sie aber ganz schön lange gewartet, was?“
Im Oktober war es dann so weit: Unserem Baum wurde mit der Motorsäge zu Leibe gerückt. Der Mann im Steiger sagte, die abgestorbenen Teile wären total leicht gewesen und sie machten auch wenig Geräusche beim Aufschlag. Ein deutliches Zeichen dafür, wie wenig Wasser darin noch enthalten war.
Sowohl die abgestorbene Seite, als auch die gesunde Hälfte wurde bis fast zur Gabelung hinunter abgesägt. Die gesunde Seite musste schon deshalb eingekürzt werden, weil der Eschenahorn sonst im Ungleichgewicht gewesen wäre. Und dass er zur anderen Seite kippt, lag auch nicht in unserem Interesse.
Kurz vor der Gabelung gebot ich dem Gemetzel Einhalt.
Es sah auch so schon schrecklich genug aus, aber so besteht zumindest die Chance, dass der Baum wieder austreibt und weiterleben darf.
Derzeit sieht er eher aus wie ein Mahnmal und die ganze Straße wirkt erschreckend leer. Gleichzeitig kommt auch mehr Licht ins Haus, aber ich muss nun auch wieder die Jalousie benutzen.
Ich bitte euch alle um gedrückte Daumen, dass ich im nächsten Frühling vielleicht noch nicht wieder über die Strippenblüten im Scheibenwischer fluchen, aber mich zumindest an neuen Blättern erfreuen darf. Damit der Satz in der Überschrift nicht doch noch weitergeht, wie in dem alten Lied von Alexandra.