Wir lassen seit ein paar Jahren einige unserer Produkte in Asien (speziell China, Indien und Sri Lanka) produzieren – und ja, z.T. liefern wir diese Artikel auch an Discounter. Da denkt sicherlich der Eine oder Andere sofort an Kinderarbeit, niederste Arbeitsbedingungen, Billiglöhne, Wanderarbeiter in China – und das alles nur aus Gründen der Gewinnmaximierung. Tatsächlich ist der Hauptgrund aber zunächst ein ganz praktischer: Die Produkte, um die es sich handelt, bestehen aus Materialien wie Kokosfasern, Jute, Raffia-Bast – und diese Materialien wachsen nun mal überwiegend nur in diesem Teil der Welt.
Anders als viele andere (meist größere) Firmen haben wir keine „hochtrabenden“ Corporate Social Responsibility Richtlinien oder ähnliches. Warum nicht? Ehrlich gesagt sind wir nicht der Auffassung das wir das brauchen. Wir vertrauen auf unser Urteil und unsere Eindrücke, die wir erlangen, wenn wir unsere Partner dort besuchen und „inspizieren“. Außerdem haben wir uns vor einigen Jahren an einem Büro beteiligt, deren Mitarbeiter für uns die Vorgänge vor Ort überwachen. Dieses Büro ist (nicht ganz) zufällig auch gleichzeitig der Vertreter der Social-Audit-Organisation BSCI.
Wann immer wir einen neuen Lieferanten mit in unseren Pool aufnehmen und somit auditieren lassen wollen, kommen unsere indischen Kollegen ins Spiel. Als erstes besuchen sie den Lieferanten, lassen sich den ganzen Betrieb zeigen und fangen an, den „Unternehmer“ zu schulen und darüber zu unterrichten, was er verändern muss. Aus der Sicht eines Deutschen geht es dabei fast immer um die banalsten Dinge. Hier einige Beispiele aus unserer Praxis:
- Bei einem Lieferanten gab es keine nach Geschlechtern getrennten Toiletten. Ihm wurde gesagt, dass er diese zu bauen hätte und außerdem auch mit abschließbaren Türen zu versehen hätte. Zuvor waren nicht mal Vorhänge (wie sonst üblich) vorhanden. Er versicherte später, den Mangel behoben zu haben. Beim Audit waren dann getrennte Kabinen vorhanden, Türen ebenfalls – nur wurden diese Türen leider nicht korrekt montiert, sondern „einfach“ nur davorgestellt! Audit nicht bestanden…
- Vor kurzem sollte ein Produzent in Sri Lanka auditiert werden. Man stellte vorher gemeinsam fest, dass es kein Zeiterfassungs-System für die Arbeiter gibt, was aber natürlich vorhanden sein muss. Es braucht technisch keine komplizierte Lösung sein – es reicht z.B. ein einfaches Stechkarten-System oder Papierlisten. Hauptsache nachvollziehbar. Man meldete uns Vollzug und wir bestellten den Prüfer. Der Unternehmer hatte sich eine Stechkartenuhr nebst Stechkarten angeschafft und seinen Arbeitern beigebracht, diese auch zu benutzen. Nur leider hatte ihnen keiner gesagt, dass jeder Arbeiter jedes Mal seine eigene, auf ihn personalisierte Karte benutzen soll. Bei der Inspektion hingen dort einfach 50 blanko Karten und jeder nahm sich immer grade die, die ihm am besten gefiel. Audit auch nicht bestanden…
Ich könnte noch mehr solcher Geschichten zum Besten geben – aber vielleicht reicht das an dieser Stelle erstmal.
Tatsache ist, dass man die besten Absichten haben kann, auf deren genauste Einhaltung zu achten, ist allerdings für eine Firma wie uns extrem schwierig – wenn nicht gar ausgeschlossen. Viele Produzenten sind auch schlichtweg nicht bereit, alles für uns zu tun. Zwar wollen sie uns gerne beliefern, jedoch nicht um jeden Preis und unsere Möglichkeiten Druck auszuüben sind begrenzt.
Soviel zu unserer „kleinen“ Welt der Beschaffung in Asien.
Öffentliche Diskussion:
In der öffentlichen Diskussion darüber, ob deutsche Firmen in Ländern wie Indien und China fertigen lassen sollen, vermisse ich vor allem immer einen Aspekt: Es wird z.T. deutlich verteufelt, dass diese Firmen die Arbeiter vor Ort ausbeuten, da es ja nicht angehen kann, dass ein Mensch für ein paar Dollar die Woche arbeitet. Man darf allerdings auch nicht die Verhältnismäßigkeit außer Acht lassen. Es kann sein, dass ein Mann mit ein paar Dollar durchaus seine Familie ernähren kann. Würde also keine dieser Firmen dort, sondern ausschließlich im „eigenen Land“ fertigen lassen, sähe das Leben für diesen Mann sicherlich schlechter aus. Es kommt eben drauf an, dass die Löhne angemessen sind. Wieviel allerdings angemessen ist, das herauszufinden ist nicht so einfach. Ich wehre mich nur dagegen, unsere westeuropäischen Maßstäbe anzusetzen und alles, was darunter liegt, anzuprangern.
Die Kalkulation:
Folgende Situation prägt unseren Alltag: Wir verkaufen u.a. an Discounter. Unabhängig davon, dass man da sowieso schon Verträge unterschreibt, die man eigentlich niemals unterschreiben dürfte, ist die Kalkulation bekanntlich sehr knapp. Wir bekommen vom Kunden die Nachricht, dass wir einen Artikel (nachdem wir ihn in der Vorsaison bereits lieferten) wieder anbieten dürfen. Bei der Verhandlung mit unserem Lieferanten bittet dieser uns um eine Preiserhöhung – meist mit den üblichen Argumenten: die Rohstoffkosten sind gestiegen, außerdem Energie- und Lohnkosten. Alles zusammen vielleicht eine Preissteigerung von 5 – 10 % auf unseren Einkaufspreis. Da es sich um sehr günstige Artikel handelt, entsprechen 5 – 10 % vielleicht nur wenige Cent – sagen wir mal 5 Cent. Wenn wir nun unseren Kunden bitten, doch lediglich diesen absoluten Betrag von 5 Cent auf den Preis aufschlagen zu können (er könne ja das gleiche tun), bekommen wir fast immer eine Absage. Ich kann mir allerdings nicht ernsthaft vorstellen, dass Verbraucher das gleiche Produkt nicht wieder kaufen würden, nur weil es jetzt 2,04 € statt 1,99 € (wie im Vorjahr) kosten soll. Der Grund dafür ist sehr simpel – unser Abnehmer geht davon aus, dass der jeweilige Wettbewerber das selbe Produkt auch wieder für 1,99 € anbieten wird.
Man kann sich also fragen, ob denn wirklich immer nur die Geiz-ist-Geil-Endverbraucher für diese Preisentwicklungen verantwortlich sind (die ja angeblich die Preise nicht zahlen wollen) oder ob die Preissprirale woanders unterbrochen werden muss, ohne dass der Arbeiter im Produktionsland darunter leidet!?