Pachten, ernten, Unkraut zupfen

von KH

Bei dem Berliner Projekt Bauerngarten kann man Gemüsebeete mieten. Das Praktische: Sie sind bereits bepflanzt und werden bewässert.

 

Nur kurz war Sabine skeptisch: Kreisförmige Beete, das klang irgendwie esoterisch. Warum diese Form? Dazu später mehr. Von dem Konzept der Mietgärten jedenfalls war Sabine schnell begeistert, inzwischen kommen bei ihr täglich eigenes Gemüse und Kräuter auf den Tisch.

Eine halbe Parzelle hat die Illustratorin seit letztem Frühjahr bei dem Projekt Bauerngarten in Berlin gepachtet, das sich dann als gar nicht esoterisch herausstellte. Ihr Stück Land ist gut 25 Quadratmeter groß und hat die Form eines Tortenstücks. Mit zwei Dutzend anderen Mietern teilt sie sich einen der Kreise, 230 Euro bezahlt sie dafür pro Saison. Kleine Bio-Pflanzen und Samen steckten bei der Übernahme schon in der Erde, eine Bewässerungsanlage in der Mitte des Kreises sorgt dafür, dass das Gemüse auch an heißen Sommertagen nicht verdurstet. Aus einer Kiste kann Werkzeug geliehen werden. Ist ein Beet leergeerntet, liegen Samen zum Nachstreuen bereit.

 

 

Sabine kommt ein oder zweimal die Woche, zum Ernten, Harken und Unkrautzupfen. Von Prenzlauer Berg aus radelt sie zu den Beeten zwischen Wiesen und Apfelbäumen, die im Botanischen Volkspark in Pankow liegen. Vorbei an zahllosen Discountern mit betonierten Parkplätzen, raus in die Natur. Am äußeren Rand des Beets wachsen Blumen und Mais, innen Zucchini, Kartoffeln und Kohl, in der Mitte ist ein Kräuterbeet. Die Wege zwischen den Beeten sind mit Klee gepflanzt, der für Stickstoff im Boden sorgt. So kann sich die Erde an diesen Stellen erholen und im nächsten Jahr mit Gemüse bepflanzt werden. Zwei weitere Standorte betreibt das Projekt, eines in Großziethen im Süden und eines in Gatow im Westen der Stadt.

Sabine zieht eine Karotte und rote Bete aus der Erde und schwärmt: „Das Zeug schmeckt so toll.“ Porree habe sie nie besonders gemocht, aber der aus dem eigenen Beet habe einen ganz anderen Geschmack als der gekaufte. Und Mangold habe die 46-Jährige überhaupt erst hier entdeckt. Die Ernte sei so überwältigend, dass eine andere Mieterin schon von McDonalds-Essen träume.

In dem Park ist Sabine ohnehin oft, sie führt Kindergruppen durch die Anlage. Auch ihr eigener Sohn im Teenageralter ist froh über den Garten. Aber weniger wegen des Bio-Gemüses, das für beide reicht, „sondern weil ich daher oft nicht zu Hause bin“, lacht sie. Ein Balkon wäre keine Alternative: „Ich genieße hier den weiten Blick und kann richtig in der Erde wühlen. Das ist total befriedigend.“

Viel Erfahrung im Gärtnern brachte Sabine nicht mit. Das war auch nicht nötig: Max von Grafenstein, der das Projekt vor vier Jahren nach der Uni ins Leben gerufen hat, ist diplomierter Ökolandwirt und bietet regelmäßig Workshops an. Bei ihm lernen die Städter, wie man Kartoffeln lagert, damit sie im Winter noch schmecken. Oder dass beim Mangold nur die äußeren Blätter abgeschnitten werden, damit neue nachwachsen. Gut 1000 Berliner, schätzt von Grafenstein, würden durch seine Gärten mit Gemüse versorgt. „Selbst wenn man im Bioladen regionale Lebensmittel einkauft, bleibt man doch ein passiver Verbraucher, damit sind die Menschen immer öfter unzufrieden“, erklärt er. Hier könne man den Traum von Selbstversorgung verwirklichen. Und was soll die Kreisform? Traditionell sei in der Landwirtschaft und im urbanen Raum alles in Rechtecke aufgeteilt, das gelte als rational und  praktisch für den Traktor. Doch seine Beete sollten für die Menschen da sein, findet der Landwirt. Und die fühlten sich auf runden Flächen wohler. Sein Vater, ebenfalls Biobauer, hielt ihn „für bescheuert“. Doch sein Konzept kommt an, es gibt Wartelisten. Und trägt sich selbst, ganz ohne Subventionen – was in der Landwirtschaft, so von Grafenstein, etwas Besonderes ist.

 

 

Auch Wiebke ist glücklich mit ihrem runden Gärtchen. Wie ein Kurzurlaub seien ihre Besuche hier, die 31-Jährige kommt wöchentlich aus Friedrichshain. „Meine Zucchinipflanze schmeißt mir ihre Früchte förmlich nach“, seufzt sie. Zu Beginn türmte sie jede Ernte zu Hause auf dem Tisch auf, um sie stolz zu fotografieren. Das meiste Gemüse wird zu Hause verkocht, die Blätter der Roten Bete landen in ihrem morgendlichen Smoothie und das Grün der Karotten wird zu Pesto an Bratkartoffeln. Dass man das alles mitessen kann, hat sie erst hier gelernt. Sie habe den klassischen Anfängerfehler begangen, die Pflanzen zu eng zu setzen. Wie groß Möhren werden können, hatte sie unterschätzt. „Aber dann hat man’s schnell drauf“, erzählt sie zufrieden und reibt sich die erdverkrusteten Hände.

 

Dies ist der erste tolle Beitrag von Katharina, von der wir hoffen in Zukunft mehr zu lesen. 🙂

 

 

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