Romberg, Foto: pixabay

Mein täglich Blaukorn gib mir heute…

von Jens

In den zwanziger Jahre, genauer gesagt 1927, erblickte der Liebling der Deutschen das Licht der Welt, jedenfalls wenn es um Dünger geht. Das Blaukorn ward geboren. Unter dem Namen Nitrophoska, ein Wortspiel für die drei Hauptnährstoffe Stickstoff (Nitrogenium), Phosphat und Kalium, gelang der BASF die Produktion des ersten mineralischen Volldüngers.
In einer Zeit der Industrialisierung, mit einer steigenden Landflucht und einer damit verbundenen Übersättigung der Städte, war das Blaukorn ein idealer Dünger, um intensiv die landwirtschaftliche Produktion auf Touren zu bringen, damit die, aus landwirtschaftlicher Sicht unproduktiven Städter, versorgt werden konnten.

Was damals als Segen für die Landwirtschaft und auch für den Gartenbau betrachtet wurde, zeigt inzwischen seine als kritisch zu beurteilenden Folgen. Jahrzehntelang ist das Grundrezept für einen schönen Garten von den Eltern an die Kinder vererbt worden, ordentlich Blaukorn im Frühjahr und der Rest geht von allein. Inzwischen geht vieles jedoch nicht mehr von allein. Die dauerhafte Düngung mit Blaukorn führte über die Jahrzehnte zu einer Verarmung der Böden, was die Pflanzen mit Wuchsdepressionen, Pilzinfektionen und massiven Schädlingsbefall zurückzahlen.

Um zu verstehen was passiert ist, muss man erstmal wissen, wie das System Boden eigentlich funktioniert. In einem natürlichen Boden tummeln sich eine Vielzahl von verschiedenen Bodenorganismen und Tiere. Vom Regenwurm angefangen, über Bodenbakterien und Mykorhizza-Pilze, hin zu Nematoden und auch der Wühlmaus oder dem Maulwurf. Alle Bewohner des Apartments Boden sorgen dafür, dass die biochemischen Bodenkreisläufe funktionieren, deren Endprodukt der Humus ist und die darin enthaltenen Huminsäuren. Dies funktioniert natürlich nur, wenn unsere Bodenbewohner ausreichend Nahrung bekommen, die sie dann weiterverarbeiten können. Genau an diesem Punkt kommt das Blaukorn ins Spiel. Mineralische Dünger haben nun mal die Eigenschaft, alle Nährstoffe bereits in einer mineralisierten pflanzenverfügbaren Form anzubieten. Das freut natürlich im ersten Augenblick die Pflanze, welche über die Wurzel in einen Zustand der Völlerei und Maßlosigkeit gleitet. Unsere Bodenbewohner gucken in diesem Moment aber in die Röhre, es gibt gerade mal nichts zu tun, da sie kein organisches Material haben, welche sie umsetzen und mineralisieren können.

Der Zustand der Arbeitslosigkeit führt im Boden zu einer schleichenden Dezimierung unserer Bodenbewohner, das Apartment Boden wird aufgrund seiner schlechten Lage gemieden. Die fehlenden Huminsäuren führen zu einer Verringerung der Bodenfruchtbarkeit, der Nährstofftransport zwischen Boden und Wurzel kommt ins stocken, der Boden beginnt sich zu verdichten, Extremsituationen finden schneller statt, der Stressfaktor der Pflanze steigt und unliebsame Hausbesetzer, wie zum Beispiel bodenbürtige Pilzinfekte, ziehen ein.

Um den Standort Boden wieder attraktiver zu gestalten, sollte man die ehemaligen Bewohner des Apartments Boden einladen wieder am Leben teilzunehmen. Organische Dünger in den Boden einbringen, eigenen Kompost herstellen, Huminsäuren flüssig eingießen, Bodenaktivatoren verwenden und sich dann freuen, wenn einem abends Señor Regenwurm entgegenwinkt. Besser düngen mit Verstand, als nachhaltigen Schaden verursachen.

Illustration: Aus „Leben im Boden“ – Ausstellung des Museums für Naturkunde Görlitz

Jens Packwitz ist leitender Berliner Pflanzendoktor, Pflanzenschutzexperte beim Deutschen Bauernverlag (Gartenflora), sowie Gastdozent an der Königlichen Gartenakademie

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1 Kommentar

Gärtnern im Juni | Diese Rombergs 17.06.2013 - 08:00

[…] sich gut entwickeln können. Kohlgemüse ist für etwas Naturdünger sehr dankbar. Nur bitte kein Blaukorn! Mein Favorit ist immer noch der eigene Kompost. Das Gemüse mag es unkrautfrei (oder lieber […]

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