Gärtnern in der Stadt-Urbane Selbstversorgung

von Rieke

Seit einigen Jahren wächst nicht nur in auf dem Land allerlei Essbares, sondern auch in großen und kleinen Städten. Manchmal geht es um die Verschönerung und Begrünung des urbanen Raumes und darum, in der Erde zu wühlen, oft jedoch um mehr. In vielen Städten weltweit hat sich zum Beispiel das Prinzip der „Essbaren Stadt“ etabliert.  

Urban Gardening: Mehr als nur Stadtbegrünung

Schon vor einigen Jahren war es in aller Munde: Urban Gardening. Es wurden Dächer bepflanzt,  Seedbombs geworfen, die Stadt begrünt. Ein sehr bekanntes Beispiel sind wohl die Prinzessinnengärten in Berlin. Eine ehemalige Brachfläche in Kreuzberg wurde seit 2009 von Anwohnern in einen gemeinschaftlichen Nutzgarten verwandelt.  Gepflanzt wird in recycelten Bäckerkisten, Tetra Paks und Reissäcken. Mittlerweile werden gemeinschaftlich über 500 verschiedene Gemüse- und Kräutersorten mitten in Berlin angebaut. Hier können Groß und Klein erfahren, wie man lokal und ökologisch Lebensmittel herstellt und verarbeitet. Außerdem gibt es Aktivitäten und Informationen zu verschiedenen Themen wie Ernten, Saatgutgewinnung, Verarbeiten und Konservieren oder Bienenhaltung. Und auch die Themen biologische Vielfalt, Stadtentwicklung, Recycling und Klimaanpassung werden hier diskutiert und weiterentwickelt.

So wie in Berlin wächst auch andernorts eine Gartenbewegung, deren Nutzen und Ziele über das gemeinsame Gärtnern und die Verschönerung der Stadt hinausgehen. Vielerorts sind die Themen eine urbane, öffentliche Selbstversorgung und die Entwicklung neuer Konzepte für ein zukünftiges Leben in der Stadt. Stadtfarming, solidarische Landwirtschaft und „Essbare Stadt“ sind hier die Stichworte.

Seedbombs Minitopia

Seedbombs werden derzeit zum Beispiel bei dem Selbstversorgungs- und Stadtfarming-Projekt Minitopia in Hamburg gerollt. Außerdem passiert dort auch noch viel mehr. Foto: Alexander Spang

Minitopia Hamburg Selbstversorgung im urbanen Raum

Auch im Norden Deutschlands gibt es Menschen, die ein Gartenprojekt initiiert haben, dass weit über den Anbau von Gemüse oder die Stadtbegrünung hinausgeht. Mit Minitopia ist in Hamburg Wilhelmsburg ein Versuch gestartet, sich mit den Ressourcen vor Ort, den eigenen Händen und gegenseitiger Unterstützung in der Stadt selbst versorgen zu können. Ziel ist es, die erste Community Stadtfarm Hamburgs werden.

In einer ehemaligen LKW-Werkstatt mit einer großen, zuvor verwilderten Außenfläche hat sich schon viel getan. Die Beete stehen in voller Pracht, es blüht und grünt überall. BürgerInnen, Schulen, Kitas und Gastronomen beackern hier ihre Beete. Auch eine Werkstatt, ein Atelier und eine Küche sind gebaut und ausgestattet und der Strom wird von der eigenen Windrad-, Solar- oder Biogas-Anlage bezogen. ExpertInnen, Ehrenamtliche und Vereine machen verschiedene Angebote und es finden regelmäßig spannende Veranstaltungen und Gruppentreffen statt. Mittwochs zwischen 16 und 20 Uhr können BesucherInnen sich zum Beispiel in der offenen Werkstatt ausleben und natürlich auch gerne etwas zum Hof beitragen. Außerdem wurde im Januar die  SOLAWI Wilhelmsburg gegründet. SOLAWi meint solidarische Landwirtschaft und bedeutet, dass sich Menschen aus der Region zusammenfinden, um sich die Ernte eines vorhandenen (Bio-) hofes zu teilen.  Und so wächst auch in Hamburg nicht nur Gemüse und ein solidarisches Gemeinschaftsgefühl, sondern auch ein Entstehungsraum, der die Entwicklung neuer Ideen für ein nachhaltiges Wirtschaften und Zusammenleben ermöglicht.

Gemeinsam viel erreichen: in Hamburg Wilhelmsburg entsteht mit Minitopia ein gemeinschaftliches Selbstversorgungsprojekt. Foto Uwe Wichmann

Gemeinsam viel erreichen: In Hamburg Wilhelmsburg entsteht mit Minitopia ein gemeinschaftliches Selbstversorgungsprojekt. Foto Uwe Wichmann

Weltweites Vorbild Todmorden

Als weltweites Vorbild für urbane Gemeinschaftsgärten gilt Todmorden. Und tatsächlich: die Bewohner der englischen Stadt, die zwischen Yorkshire und Lancashire liegt, versorgen sich durch öffentliche Obst- und Gemüsegärten zu einem Großteil selbst mit Lebensmitteln und haben auch darüber hinaus einiges bewirkt. Die Initiatorinnen Mary Clear und Pam Warhust starteten 2008 zusammen mit den ersten Freiwilligen mit ihren selbst ernannten Propaganda Beeten eine kleine Revolution. Durch das freiwillige Pflanzen von Obst und Gemüse wurden zuvor unansehnliche oder brachliegende Plätze in schöne und eben vor allem essbare Orte verwandelt. Selbst Prince Charles ließ es sich nicht nehmen, der Stadt einen Besuch abzustatten. Der royale Naturliebhaber war begeistert von den Pflanzungen, obwohl damals noch die Genehmigungen fehlten.  Mittlerweile sind die Beete der Bewegung, die den Namen  „Incredible Edibel“ trägt, genehmigt und in der ganzen Stadt zu finden. Zwischen Parkplätzen, Schulhöfen und auf vielen zuvor brachliegenden Flächen wachsen nun zum Beispiel Äpfel, Kirschen, Erdbeeren, Kartoffeln, Möhren, Salate und verschiedene Sorten duftender Kräuter. Und alles darf mitgenommen bzw. gegessen werden.

Im englischen Todmorden wächst überall Essbares und alle packen mit an. Foto: Incredible edible Todmorden

Im englischen Todmorden wächst überall Essbares und alle packen mit an. Foto: Incredible Edible Todmorden

Positive Wirkung der urbanen Gemeinschaftsgärten

Die Auswirkungen der entstandenen öffentlichen Gärten in Todmorden  sind durchweg positiv, das bestätigt auch die örtliche Polizei. Die Kriminalitätsrate sank, Gemeinschaftssinn und Naturverbundenheit wuchsen. Ein Großteil der Bewohner beteiligt sich an den Pflanzungen, der Organisation und Pflege. Mittlerweile ist das Projekt längst aus Marys eigenem Garten herausgewachsen und zieht weite Kreise: Es gibt Kochkurse für Kinder, gemeinsame Feste, Einkochseminare, touristische Führungen und soziale Projekte. 

Auch andernorts wird urban gegärtnert

Und nicht nur in Todmorden hat sich durch das Projekt vieles geändert. Im Jahr 2017 waren im Incredible Edible Network UK mehr als 100 Gruppen vernetzt. Das Thema ist nicht nur ein temporärer Trend. Ob zum Beispiel in den USA, Kanada, Deutschland oder China, das weltweite Interesse an öffentlichen Obst- und Gemüsegärten und regionaler Lebensmittelversorgung wächst. So zum Beispiel auch in Andernach.  In der kleinen Stadt am Rhein werden auf öffentlichen Brachen Nutzpflanzen angebaut: Weinreben, Salat, Tomaten, Mangold oder Kürbis. Mit Genehmigung der Stadtverwaltung. So wurden öffentliche Parks und Grünanlagen zum Selbstbedienungsgarten für die Bürger. Auch in Andernach geht es wie bei den meisten urbanen Gartenprojekten um mehr als Gemüse.  Mit dem Anbau werden gesellschaftspolitische und soziale Ideen verbunden und auch eine Art der direkten Inklusion gelebt. Ganz nach dem Motto von Incredible Edible Todmorden : „Wer mitisst, ist dabei!“

In diesem Sinne #machwasdraus

Weitere Infos:

www.incredible-edible-todmorden.co.uk

www.minitopia.hamburg

www.prinzessinnengarten.net

 

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